Warum Vitaminpräparate mehr schaden als nützen
Stressiges Leben und gesunde Ernährung scheinen nicht vereinbar. Wer beruflich und privat eingespannt ist, hat oft wenig Zeit, sich selbst ein gesundes Mahl zuzubereiten. Da ist die Versuchung groß, den ungesunden Lebensstil mit vermeintlich gesunden Vitaminpräparaten zu kompensieren. Immer mehr Menschen verfahren nach dem Motto: das Multivitaminpräparat wird’s schon richten. Ein Drittel aller Deutschen greift regelmäßig zu Nahrungsergänzungsmitteln – ein Milliardengeschäft, das aus der Unkenntnis vieler Menschen Kapital schlägt. Doch der Pillenersatz für Apfel, Orange & Co., der schon fast als Lifestyle-Produkt gilt, gerät immer mehr ins Kreuzfeuer der Kritik. Zahlreiche Forschungsergebnisse belegen, dass Nahrungsergänzungen nicht nur überflüssig, sondern auch eine Gefahr für unsere Gesundheit sind. Selbst Ärzte warnen inzwischen vor den scheinbar harmlosen bunten Pillen und raten dringend von der Selbstmedikation mit Vitaminpräparaten ab.
Vitamine – das richtige Maß macht’s
Es ist unbestritten, dass Vitamine wichtig für unseren Körper und unsere Gesundheit sind. Vitamine übernehmen im Organismus vielerlei Funktionen. Sie steuern Stoffwechselvorgänge, dienen dem Immunsystem als “Radikalenfänger” und geben uns Energie und Leistungsfähigkeit. Außerdem sind sie unentbehrlich beim Aufbau von Haut und Gewebe. Allerdings kommt es auf das richtige Maß an. Dass bei der bekannten Formel “viel hilft viel” eher der Wunsch Vater des Gedankens ist, wussten schon unsere Großmütter. Ein Zuviel – auch an Gesundem – führt unweigerlich zu einem Ungleichgewicht im Körper, das nie etwas Positives mit sich bringt. Überschüssige Vitamine scheide der Körper einfach aus – so das gängige Credo. Das gilt jedoch nicht für alle Vitamine. Die fettlöslichen Vitamine A, D, E und K werden – im Übermaß zugeführt – im Körper gespeichert und können sich zu hohen Konzentrationen anreichern. Das bleibt nicht lange ohne Folgen – schließlich sind Vitamine biologisch aktive Substanzen, die in den Stoffwechsel eingreifen. Bereits 2008 stellten amerikanische Wissenschaftler in einer Langzeitstudie fest, dass Personen, die täglich Vitaminpräparate einnahmen, eine erhöhte Sterberate verzeichneten. Dafür wurden vor allem, Vitamin A, dessen Vorstufe Beta-Carotin, und Vitamin E verantwortlich gemacht. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17327526
Profitables Geschäft für die Pharmaindustrie
Schon seit den 90 er Jahren stehen Vitaminpräparate im Verdacht, Herz-Kreislauferkrankungen oder gar Krebs zu begünstigen. Trotzdem will uns die Pharmaindustrie weiterhin glauben machen, dass Nahrungsergänzungsmittel unserer Gesundheit dienen. Sie investiert Milliarden, um die Verbraucher von der Nützlichkeit – ja Unentbehrlichkeit – ihrer Produkte zu überzeugen. Scheinbar mit Erfolg: Laut dem Marktforschungsinstitut IMS Health wandern in Deutschland nur für Vitaminpräparate täglich 3 Millionen Euro in die Kassen der Pharmaindustrie. Zudem wird es Herstellern von Vitaminpillen leicht gemacht, denn Nahrungsergänzungsmittel gelten nicht als Medikamente. Anders als bei Arzneien müssen sich die Hersteller lediglich an die im Lebensmittelrecht geltenden Bestimmungen halten. Weder Wirksamkeit noch Unbedenklichkeit des Produkts müssen nachgewiesen werden. Der Verkauf beschränkt sich längst nicht mehr nur auf Apotheken. Die bunten Pillen liegen für jeden leicht zugänglich in den Regalen von Supermärkten und Drogerien bereit. Zudem nehmen wir mit Vitaminpräparaten eine ganze Palette von Zusatz-, Aroma- und Konservierungsstoffen zu uns. Zwar müssen diese auf dem Produkt ausgewiesen sein – doch muss man sich bestens auskennen, um zu wissen, was sich hinter diesen Bezeichnungen verbirgt.
Nahrungsergänzungsmittel können keine gesunde Ernährung ersetzen
Die Verunsicherung ist groß. Viele Menschen zweifeln, ob ihr Vitaminbedarf durch die Ernährung abgedeckt ist und greifen deshalb zu Nahrungsergänzungsmitteln. Im besten Glauben, ihren Kindern etwas Gutes zu tun, verabreichen viele Mütter ihren Kindern die vermeintlich gesunden Pillen. Doch auch die besten Vitaminpräparate können gesunde Ernährung nicht ersetzen. Natürliche Lebensmittel halten alle Vitamine, Spurenelemente und Mineralien, die der Körper braucht, bereit. Der komplexe Stoffwechsel des Menschen kann außerdem Vitamine und Nährstoffe nur verwerten, wenn sich all diese Komponenten proportional im richtigen Verhältnis ergänzen. Zudem stehen Vitamine in Wechselwirkung zueinander – so sind die Vitamine E und C Teamplayer – keiner kann ohne den anderen. Wie komplex die Versorgung mit Nährstoffen durch die Natur ist, zeigt ein einfaches Beispiel: Ein Apfel hält rund 1.000 Inhaltsstoffe bereit, die in Zusammensetzung und Verhältnis niemals synthetisch in einem Vitaminpräparat nachzustellen sind. Vitaminpillen enthalten nur einen oder wenige Wirkstoffe, die dem Körper in hoher Dosis angeboten werden. Sie bringen das empfindliche Gleichgewicht eher durcheinander, als einen Mangel auszugleichen.
Der Körper lässt sich nicht überlisten
Doch das ist nur einer der Gründe, warum Multivitaminpräparate weit hinter der Wirkung von Obst, Gemüse, dunkelgrünem Blattgemüse, Wildkräutern und Getreide zurückbleiben. Vitamin ist Vitamin, mag man denken. Doch weit gefehlt, denn der Körper weiß sehr wohl zwischen künstlichen und natürlichen Vitaminen zu unterscheiden. Synthetisch hergestellte Vitamine haben eine etwas veränderte chemische Struktur und sind im Aufbau nicht ganz identisch mit natürlichen Vitaminen. Die Moleküle sind in einer anderen Reihenfolge verknüpft, haben räumlich eine andere Ausrichtung oder sind spiegelverkehrt angeordnet. Betrachten wir unsere Hände, scheinen beide gleich zu sein. Trotzdem passt die linke Hand nicht in den Abdruck der rechten. Ähnlich ist es mit den Rezeptoren, an denen die Vitamine andocken. Ist die Struktur nur geringfügig anders, passen beide nicht ineinander.
Vielsagende Langzeitstudien, die für sich sprechen
Wie fatal sich die regelmäßige Einnahme künstlich hergestellter Vitamine auswirken kann, zeigt eine 2012 im Fachblatt “Archives of Internal Medicine” veröffentlichte Langzeitstudie deutscher und US-amerikanischer Ärzte. Sie hatten 20 Jahre lang die Lebensgewohnheiten von 40.000 Frauen unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: Die Frauen, die regelmäßig zur Vitaminpille griffen, erkrankten häufiger an Herz-Kreislaufkrankheiten und Krebs. Dass künstliche Vitaminpräparate keineswegs harmlos sind, war auch 2011 im “Journal of the American Medical Association” zu lesen. Hier wird berichtet, dass eine groß angelegte Studie in den USA, Kanada und Puerto Rico aufgrund alarmierender Ergebnisse vorzeitig abgebrochen wurde. Statt der erwarteten präventiven Wirkung von Vitaminpräparaten gegen das Prostatakarzinom bei Männern über 50 konnte ein signifikanter Anstieg von Prostatakrebs bei der Kontrollgruppe festgestellt werden, die täglich Vitamin E eingenommen hatte. Zwar blieb der biologische Mechanismus, der dazu führte, ungeklärt – doch die Ergebnisse sind eindeutig.
Ausnahme sind Risikogruppen
Trotzdem gibt es Risikogruppen, bei denen eine Therapie mit Nahrungsergänzungsmitteln erforderlich und sinnvoll sein kann. Dazu gehören zum Beispiel Schwangere – hier hat sich erwiesen, dass Folsäure essenziell wichtig für die gesunde Entwicklung des Embryos ist. Die Folsäure gehört zu den B-Vitaminen und ist für Wachstum und Zellvermehrung zuständig. Sie beugt einer Schädigung des zentralen Nervensystems, dem sogenannten Neuralrohrdefekt vor. Auch bei Patienten mit Immunschwäche oder älteren Menschen kann die gezielte Gabe von Vitaminpräparaten Sinn machen. Gerade ältere Menschen sind häufig nicht mehr in der Lage, auf ihre Ernährung zu achten und es kommt zu Mangelerscheinungen. Auch in stressigen Lebensphasen kann eine zeitweise Einnahme natürlicher Vitaminkomplexe nützlich sein, da der Körper bei Stress übersäuert. Allerdings sollte auch hier die Einnahme gezielt und zeitlich begrenzt sein. Das Fazit der Ärzte: Der Konsum von Nahrungsergänzungsmitteln ist medizinisch nur vertretbar, wenn tatsächlich ein Mangelzustand vorliegt. Wenn – wie in diesen Fällen – zusätzliche Vitamingaben erforderlich sind, sollte man besser auf natürliche Vitaminkomplexe zurückgreifen. Sie sind in Form von Fruchtsaftpulver, Fruchtextrakt oder Pflanzenpulver erhältlich. Da sie natürlichen Ursprungs sind, stehen dem Körper Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente im richtigen Verhältnis zur Verfügung.
Der Mythos vom Vitaminmangel in der Nahrung
Die Pharmaindustrie will in ihrem Marketing suggerieren, dass das heute erzeugtes Obst und Gemüse nicht mehr so viele Vitamine wie früher habe. Dabei leiden die Menschen in der industrialisierten Welt eher an einer Überversorgung mit Vitaminen, so viele Wissenschaftler. Warum sich also freiwillig Gesundheitsrisiken aussetzen, wenn man die nötigen Vitamine, Mineralien und Spurenelementen aus natürlicher Nahrung beziehen kann? Hier gilt es, einfach auf die Natur zu vertrauen. Natürliche Lebensmittel halten Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente in ungeheurer Vielfalt für uns bereit. Wer sich mit viel Obst, Gemüse und Vollkornprodukten ernährt, und auf einen täglichen Rohkostanteil achtet, ist immer auf der richtigen Seite. Nüsse und Ölsaaten versorgen uns mit hochwertigen Mineralien und bereichern den Speiseplan. Frisch gepresste Säfte und grüne Smoothies liefern dem Körper wertvolle Vitalstoffe und beleben den Organismus. Eine fettarme Ernährung mit wenig oder ohne tierische Produkte, viel Bewegung und weitgehender Verzicht auf Alkohol und Rauchen tun ein Übriges, um sich dauerhaft gesund zu halten.
Lesen Sie dazu bitte auch: 13 Grüne Smoothie Tipps für Einsteiger und Fortgeschrittene und 11 Tipps wie Sie Ihren Obst- und Gemüseanteil erhöhen
Zurück zur Natur
Nicht umsonst wächst der Markt der Nahrungsergänzungsmittel proportional zur “modernen” Lebensweise, die durch ein Überangebot an Convenience-Food, also verarbeiteter Nahrung, gekennzeichnet ist. In deutschen Haushalten kommen nur noch 1 – 2 mal wöchentlich frisch zubereitete Speisen auf den Tisch. Kein Wunder, dass es da naheliegend und einfach scheint, sich mit den vermeintlich gesunden Pillen ein gutes Gewissen zu erkaufen. Vielleicht sollten wir stattdessen einfach zu einer gesunden Lebensweise zurückkehren. Das stärkt nicht nur unsere Gesundheit, sondern setzt unserer schnell getakteten Welt ein Stück bewusstes Leben entgegen.
Es geht in diesem Artikel nicht um Vitamine, die aufgrund eines diagnostizierten konkreten Mangels eingenommen werden, sondern um Multivitamin-Präparate, die ohne konkreten Anlass nach dem Gießkannenprinzip als Ersatz für eine gesunde Ernährung eingenommen werden. Natürlich ist das Thema viel zu komplex um in einem kurzen Beitrag ausreichende Antworten zu geben. Dieser Artikel soll allerdings zu einer bewusste(re)n Beschäftigung mit Nahrungsergänzungsmitteln anregen.
Wie ist Ihre Meinung zu den bunten Vitaminpillen? Wir freuen uns auf Ihre Rückmeldung.
Wenn Ihnen der Beitrag gefallen hat teilen Sie ihn bitte in den sozialen Netzwerken.
Der Beitrag Gesundheitsrisiko Vitaminpillen erschien zuerst auf .